#communityprojekt100 - 100 ikonische Streetfotos #31

Jürgen Becker, Gengenbach, Dezember 2020

Im Umfeld eines Corona-bedingten Lockdowns treibt Dir das Foto von Margaret Bourke-White die Schweißperlen auf die Stirn. Unmittelbar.

Nun ist Margaret Bourke-White keine Unbekannte, wenn Du Dich Dein Leben lang mit der Fotografie beschäftigst. Auch wenn Du das Bild „Hats in the Garment District, New York City“ nicht kennst: Eine andere Ikone hingegen kennst Du seit Dekaden!

Ihr berühmtes Foto „Gandhi and the Spinning Wheel”, das im legendären LIFE-Magazin veröffentlicht wurde.

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Margaret Bourke-White war die erste weibliche Fotografin dieses für seine großformatigen Foto-Strecken berühmten Kult-Magazins, für das einige der großen Fotografen gearbeitet haben – wie z. B. Alfred Eisenstaedt, Andreas Feininger und W. Eugene Smith.

Ebenso war sie im Jahr 1942 die erste akkreditierte weibliche Fotografin, die die amerikanische Luftwaffe während der Kriegseinsätze ebenso begleitete wie im Jahr 1945 Pattons Armee in Deutschland. Ohne jeden Zweifel war Margaret Bourke-White eine für die damalige Zeit auffallende Frau: untypisch und selbstbewusst. Eine Frau, die in Männerdomänen einbrach – und sich dort auch behauptete.

Vor diesem Hintergrund kann es ein Zufall sein, dass auf dem Bild „Hats in the Garment District“ – dem damaligen Zentrum der amerikanischen Mode-Industrie – alle Figuren männlich zu sein scheinen. Muss es aber nicht… Ganz besonders dann nicht, wenn wir ergänzen: „Auf diese männlich dominierte (Mode-) Welt schaut eine „Powerfrau“ herab – von ganz weit oben. Soweit – so gut. Doch die Schweißperlen kleben eiskalt auf Deiner Stirn.

Dir wird klar, dass Du keine solche Menschenmassen wirst fotografieren können: Ohne selbst die Corona-Regeln zu verletzen – ein fatales Zeichen im Rahmen eines solchen Community-Projektes! – oder die Nähe solcher Menschenmengen zu suchen, die ihrerseits die Vorschriften missachten…

Du musst deshalb anders denken. Dich anders dem Bild nähern. Völlig anders. Was also siehst Du? Vogelperspektive. Offenbar direkt an einer Hauswand herab von oben fotografiert. Überwiegend ohne direktes Licht. Deshalb keine Schatten – vom unteren Drittel abgesehen. Gegenlicht, wohl bereits fast vollständig vom Gebäude gegenüber verdeckt: Offenbar steht die Sonne nicht mehr hoch genug, um die Straße vollständig auszuleuchten. Ein Muster. Nicht regelmäßig, sondern gebrochen. Ein Muster – gebildet von Hüten, die zu Kreisen, zu Punkten werden. Punkte unterschiedlicher Grau-Töne. Die Menschen selbst erkennst Du nicht. Das Muster ist vorwiegend auf einem dunklen horizontalen Streifen angeordnet und wird am oberen und unteren Bildrand gehalten von zwei helleren Streifen. Zwei Autos im oberen linken Bild-Drittel brechen als „Rechtecke“ das Muster von runden Punkten. Die Aufgabe eines Autos ist es, die Menschen unter den Hüten aufzunehmen und von A nach B zu transportieren.

Die Zeit läuft. Der mit Abstand größte Teil der Zeit, die Dir zur Verfügung steht, geht fürs Nachdenken drauf!

Es wird Dir klar, dass Du das Bild „Hats …“ nicht ohne Hüte wirst interpretieren können – ganz egal, was Du am Ende machen wirst.

  • Es müssen viele Hüte her.
  • Während des Lockdowns – und über die Weihnachtstage!
  • In ähnlicher Form – aber unterschiedlichen Farben.
  • Gibt´s in diesen Mengen nicht. Zumindest nicht innerhalb der Zeit, die Du hast.
  • Du kaufst alles, was da ist – wenn auch nur in einer Farbe: schwarz!

Dein Sohn und seine Freundin malen an den Weihnachtstagen etwa die Hälfte der Hüte in anderen, hellen Farben an, die für die Grautöne sorgen werden.

  • Was aber soll die Hüte tragen?
  • Kleine Sprudelflaschen sind die Lösung. Leer.
  • Merke: Du darfst keine Werbung machen!

Die Hüte finden keinen Halt auf den glatten Flaschen-Köpfen: Die Hälfte der Hüte verlangt folglich nach doppelseitigem Klebeband. Ein Job für Feinmotoriker. Zu guter Letzt willst Du unbedingt einen Hinweis unterbringen: Den Hinweis auf den Virus… Allein die Vorbereitungen für das Shooting dauert einen halben Tag. Das Shooting selbst noch einmal einen weiteren halben.

Jürgen Becker, 64. Ich fotografiere seit meinem achten Lebensjahr. Meine Arbeit hat keine Schwerpunkte, jedoch sind Landschaften nicht mein Ding. Stattdessen liebe ich es, Farben, Formen und Strukturen sowie Menschen festzuhalten.

Instagram: https://www.instagram.com/juergen_becker_photography/

Die Räumlichkeiten und das Leergut stellte die Althistorische Narrenzunft Offenburg e. V. bereit. Ihr und meiner gesamten Familie gilt mein aufrichtiger Dank für die Unterstützung während meines Projektes: Während der Lockdown-bestimmten Tage zwischen Weihnachten und Sylvester 2020.

Darüber hinaus gilt mein Dank Frank Fischer für dieses beispielhafte Community-Projekt!

hats_in_garment_district_interpretation_juergen_becker.jpg

Jürgen Becker, 64. Ich fotografiere seit meinem achten Lebensjahr. Meine Arbeit hat keine Schwerpunkte, jedoch sind Landschaften nicht mein Ding. Stattdessen liebe ich es, Farben, Formen und Strukturen sowie Menschen festzuhalten.

Instagram: https://www.instagram.com/juergen_becker_photography/