#communityprojekt100 - 100 ikonische Streetfotos #52

Diane Arbus, Child with a toy hand grenade in Central Park, N. Y. C. 1962

Über mich:

Mein Name ist Bernd Heinrich und ich wuchs mit einem fotografierenden Großvater auf. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und er war eine der nachhaltig prägenden Menschen in meiner Kindheit und Jugend. Fotografie war dabei nie das wesentliche Thema, es lief eher immer mit, auch weniger im Sinne von Kunst eher zum Zwecke der Dokumentation.

Meine erste eigene Kamera erhielt ich ungefähr im Alter von zwölf, eine Unterweisung erhielt ich nicht wirklich, die Anmerkungen auch meines Vaters beschränkten sich im Wesentlichen auf die Hinweise „keine Köpfe oder Füße abzuschneiden“ sowie „das Motiv sollte erkennbar sein“, Letzteres galt sowohl für die Schärfe als auch die Größe des Motivs im Gesamtbild, das war es dann aber auch schon.

Während mein Großvater, der seit den frühen 30-ern fotografierte, auf Glasplatten, sowie den unterschiedlichsten Trägermedien gearbeitet hatte und zu Beginn alles selbst entwickelt hat, entsprechend der Zeit ausschließlich in schwarz weiß, begann meine fotografische Geschichte im „fortschrittlichen“ Zeitalter der Farbfotografie. Ich habe lange Zeit ausschließlich in Farbe fotografiert und auch wenig Bilder sondern überwiegend Dia-Filme.

Dann gab es eine lange nahezu fotolose Zeit, bis ich vor ca. 10 Jahren, beruflich bedingt, mich wieder intensiver mit der Fotografie beschäftigen musste um von mir verfasste Fachartikel mit Fotos zu bereichern und das insbesondere im Hinblick auf die „Verletzung von Rechten Dritter“. Dadurch wurde meine Lust an der Fotografie wieder geweckt und ich begann auch „privat“ wieder mehr zu fotografieren, Hauptinteressen sind Naturfotografie und hier insbesondere Tiere, Pflanzen und die Makrofotografie und als Pendent dazu „Street Fotografie“, wobei ich den Begriff „Urban Photographie“ in diesem Zusammenhang eigentlich treffender fände.

Im Rahmen der autodidaktischen Fortbildung bei ich bei der ff-fotoschule und somit auch beim Projekt gelandet, was ich eine super Idee finde. Da ich sowohl technisch wie auch praktisch noch ganz am Anfang stehe aber natürlich auch ein Wagnis, da geht es mir ähnlich wie unter Nadja #1 in diesem Projekt. Aber wer nicht versucht seine Grenzen auszuloten und zu verschieben wird auch nicht wirklich vorankommen.

Über Diane Arbus (1923 – 1971)

Ich habe das erste Mal Kontakt zum Werk von Diane Arbus gehabt über den YouTube Kanal Eīhwaz (https://www.youtube.com/user/OpheIiia/videos), der Kanal ist ausschließlich der Kunst gewidmet und enthält Filme zu den Werken vieler Fotograf*innen und war für mich hinsichtlich der Fotografie eine Offenbarung. Neben den üblichen Wiki-Einträgen habe ich mich noch mit „.diane arbus. an Aperture Monograph“ (1972, Reprint 2003 by Schirmer/Mosel, München) beschäftigt. Letzteres war insofern sehr interessant, da das Buch neben 81 Fotografien auch viele Textpassagen enthält aus Tonbandaufzeichnungen und Mitschnitten ihrer Seminare.

Diane Arbus polarisierte mit ihrer Fotografie da sie einen Schwerpunkt Ihrer Arbeit den Motiven widmete die (nach wie vor) gern von der Gesellschaft ausgeblendet werden, hierzu gehörten unter anderem Freaks, Nudisten, Irrenanstalten, Prostituierte, Homosexuelle, Transvestiten, Kleinwüchsige und vieles mehr. Indem sie diese Menschen zu zentralen Motiven ihrer Arbeit machte, rückten sie diese auch unübersehbar ins Bewusstsein der Gesellschaft.

Immer wieder fotografierte sie jedoch auch „normale“ Menschen, die häufig den Zeitgeist wiederspiegelten, so auch das hier als Aufgabe verwendete Foto des Jungen im Central Park.

Im Alter von 48 Jahren wählte sie 1971 den Freitod.

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Fakten zum Foto:

  • Schwarz/weiß Aufnahme
  • tagsüber
  • draußen
  • Sommer (Kleidung des Jungen)
  • Freistellung, aber nicht total, Hintergrund gut erkennbar
  • Format 1:1
  • „normale“ Perspektive
    • leicht von oben
  • Position des Motivs relativ zentral, leicht nach links verschoben
  • Motiv
    • spielendes Kind
  • Situation, Park mit Bäumen im Hintergrund und ein paar weiteren Menschen, etwas belebt, zweifelsohne nicht perfekt z. B. „wächst ein Mensch aus dem Hinterkopf des Jungen“

Kontext zum Prozess:

Grundsätzlich nicht schwer umsetzbar, im Verhältnis zu vielen andern Fotos in diesem Buch, für die ein erheblich größerer technischer Aufwand getrieben werden muss. Ebenso sind die Örtlichkeit und das Motiv selbst nicht allzu schwierig umsetzbar, da es für das Foto unbedeutend ist um welchen Park und welches Kind es sich handelt.

Nichtsdestotrotz agieren wir heute in einem ganz anderen gesellschaftlichen Kontext. Ich bin ein alter, weißer Mann und damit einer gesellschaftlichen Gruppe zugehörig die in letzter Zeit zunehmend und in vielen Fällen absolut berechtigter Kritik unterliegt. Das macht aber gerade „Street Photography“ in ihrem ursprünglichen Sinne, „ungestellte Aufnahmen“ zu erzeugen erheblich schwieriger. Konkret meine ich damit, dass die Grenze zwischen Voyeur und Beobachter nach außen nicht erkennbar und deshalb durchaus heikel ist, ganz besonders in Zeiten einer MeToo-Debatte sowie im Hinblick auf die Aufdeckung von massivem und umfangreichem Kindsmissbrauch innerhalb der katholischen Kirche, um nur zwei Aspekte aus diesem Kontext zu nennen.

Ich zumindest habe Hemmungen diesbezüglich und stelle fest, dass ich keineswegs mehr so unbefangen auf fremde Kinder zugehe wie noch vor zwanzig Jahren, geschweige denn sie zu fotografieren.

Hier sei die parallel ablaufende Diskussion über Urheberrechte sowie die die Verletzung Rechte Dritter vs. Kunst, die das Ganze nochmal zusätzlich erschwert, mal außen vorgelassen.

Umsetzung:

Was es für mich etwas einfacher macht, ist die Tatsache, dass es sich hier nicht um ein einzelnes „spontanes“ Foto handelt, sondern das Diane Arbus hier mit dem „Model“ gearbeitet hat und eine ganze Reihe (contact sheet 12 pictures) Fotos geschossen hat aus welchen sie das für sie beste ausgewählt hat.

Dem verschriftlichen Gedanken im Buch folgend, dass das Kind hier ein Stück Zeitgeist repräsentiert (Anfangsphase des Vietnam Kriegs) siehe hierzu auch den ersten Kommentar von Joel Meyerowitz zu dem Foto, habe ich mich davon gelöst, das es ein Junge sein muss, Gleiches gilt für das Spielzeug. Weitergehend glaube ich, dass auch die Umgebung vernachlässigbar ist, die Essenz des Fotos scheint mir zu sein – ein Kind das einen Teil des Zeitgeistes darstellt – alles andere ist unbedeutendes Beiwerk und dient allenfalls der Illustration einer alltäglichen, gewöhnlichen Situation, insofern also nicht ganz vernachlässigbar.

Last but not least sollte es ein selbstbewusstes Kind sein, denn zweifelsohne ist das wesentlicher Bestandteil des Ausdrucks des Jungen im vorgegebenen Foto.

Nachdem ich mich intensiver mit der gestellten Aufgabe beschäftigt hatte fiel mir sofort die Tochter der Nachbarn ein, zweifelsohne eine geeignete Kandidatin und an Selbstvertrauen fehlt es ihr sicher auch nicht. Bei einem sonntäglichen Besuch unterbreitete ich Ihr und Ihren Eltern die Idee und erläuterte die Hintergründe und beide erklärten sich einverstanden, wir vereinbarten für den nächsten Tag einen Termin.

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Verwendet habe ich eine EM1 Mark III mit dem OLYMPUS M.25mm F1.8, Blende 1.8 ISO 200, 1/250 Sek. Belichtungskorrektur 0, Modus Aperture Priority.

Mein Dank gilt Familie Kirchschlager und ganz besonders meinem Model Maria Luna.

Bad König, den 7. Juli 2021