#communityprojekt100 - 100 ikonische Streetfotos #62
Zu meiner Person:
Ich bin 44 Jahre alt und die Fotografie ist seit 6 Jahren meine liebste Freizeitbeschäftigung. Ich experimentiere gerne mit unterschiedlichen Fototechniken und probiere gerne Neues aus. Neben der Streetfotografie stehen Landschaften ganz oben auf meiner Motivliste. Auch analoge oder umgebaute Kameras für Infrarotfotografie sind regelmäßig in meiner Fototasche. Nach mehreren Jahren Youtubestudium, diversen Fotoreisen, Workshops und unzähligen Fotowalks, würde ich mich als ambitionierten Hobbyfotografen bezeichnen. Bilder von mir gibt's hier: https://www.flickr.com/photos/140606880@N05/
"Spidergirl and green car" von Helen Levitt ist mein Foto in diesem Projekt. Die Fotografin hatte mir erst nicht viel gesagt. Nach dem Buchtext und einer kurzen Internetrecherche habe ich mir einen Eindruck von ihr verschafft. Sie lebte von 1913-2009 in New York und war für ihre Zeit eine berühmte Fotografin und Filmemacherin. Ihre bevorzugten Motive waren Kinder, die auf der Straße spielen und das Alltagsleben in der Straßen der ärmeren Stadtviertel. Also genau das, was ich sonst nicht fotografiere.
Als ich das Buch mit meiner Seite aufschlug, war mein erster Gedanke: "Oh Sch***e, ich muss ein Foto von einem Kind in komischer Pose machen". Das ist für mich keine einfache Aufgabe. Aber wir sollen ja nicht Kopieren sondern uns nur inspirieren lassen und dem original Foto nahe kommen. Nun dann ran an die Arbeit und Ideen sammeln.
Erstmal das Originalfoto analysieren:
Es ist Farbfoto von 1980, dementsprechend hat es einen schönen analogen Look. Ein kleines Mädchen hockt wie Spiderman (daher der Titel) an einem grünen Auto und sucht irgendetwas. Es könnte aber auch nur gestolpert sein. Man weiß es nicht genau. Diese unnatürliche Körperhaltung des Mädchens lässt Raum für Spekulationen und macht das Bild spannend. Ein angeschnittener blauer VW Käfer, ein paar Mülltonnen und etwas Schmutz auf der grauen Straße spielen in dem Foto nur eine Nebenrolle. Die Bildkomposition finde ich persönlich nicht so gelungen, spielt aber für die Bildwirkung auch keine Rolle.
Die Umsetzung:
Mein Foto sollte definitiv ein ungestelltes Streetfoto werden. Ein Kind oder ein Erwachsener in einer merkwürdigen Situation. Im besten Fall mit einer komischen Körperhaltung. Da das Mädchen im Originalfoto nicht zu erkennen war, wollte ich ebenso den Menschen auf meinem Foto DSGVO konform ablichten. Ein US Car Treffen fand in dieser Zeit leider nicht statt. Dort wären genug Autos und Kinder. Mir kam auch der Gedanke ein kleines Spielzeug unter ein Auto zu legen und dann einfach abzuwarten wer sich danach bückt. Ich wollte es aber erstmal ohne Tricks probieren.
Mit meiner kleinen und unauffälligen Kompaktknipse (Lumix LX15) in die Tasche wollte ich mit einem Fotowalk durch die Kieler Innenstadt starten. Hier gibt es diverse Stellen, an denen öfters Kinder spielen. Der Wochenmarkt hatte auch einige Motive zu bieten. Nach ein paar erfolglosen Versuchen führte ich meinen Spaziergang fort. Ich fixierte mich jetzt doch mehr auf spielende Kinder und es gab auch einige Situationen die ein Foto wert gewesen wären. Mir ist immer mehr aufgefallen, dass Kinder beim toben und spielen oft irgendwelche Verrenkungen machen. Erstaunlich was man alles sieht, wenn man sich nur auf eine Sache konzentriert. Mein Jagdinstinkt war aktiviert und es kam zu mehren Schnappschüssen. Nach vier Stunden Motivjagd beschloss ich so langsam wieder den Heimweg anzutreten. Die Ausbeute war eher dürftig und nicht zufriedenstellend. Der nächste Tag würde vielleicht mehr bringen. Auf dem weg zum Auto überquerte ich den Rathausplatz. Dort spielte ein Junge mit seiner Schwester fangen. Sie tobten und fotografierten sich ab und zu selber mit ihrem Smartphone. Spannend, dachte ich und beschloss die Szene eine Weile zu beobachten. Um nicht aufzufallen tarnte ich mich als Tourist und fotografierte das Rathaus und die Umgebung. Fünfzehn Minuten später hatte ich dann das Glück den Jungen einzeln, in einer merkwürdigen Pose zu erwischen. Ich wußte sofort, dass das mein Bild wird. Es passte alles: Die Urbane Umgebung, ein spielendes Kind, das Gesicht verdeckt und die unnatürliche Körperhaltung die Raum für Spekulationen lässt.
Später am Rechner wurden noch kleine Korrekturen vorgenommen, wie der Analoge Look und einige störende Passanten wurden entfernt. Im Vergleich zum Original fielen mir dann auch noch andere Parallelen auf, wie die Linie im Vordergrund und die Farben Blau und Grün. Am Ende bin ich sehr zufrieden.
Es war für mich eine spannende Zeit in diesem Projekt. Nicht nur die Umsetzung meiner Aufgabe, sondern auch die Arbeiten der anderen Mitstreiter zu sehen. Dadurch konnte ich viel lernen. Vielen Dank das ich dabei sein durfte!
Florian Brandt