#communityprojekt100 - 100 ikonische Streetfotos #81
Michael Ackermann - Lodz, 2008
Als ich zum ersten Mal das mir zugeteilte Bild sehen durfte, war ich zunächst sehr überrascht und zugleich geschockt. Den Namen Michael Ackermann habe ich bereits mal gehört, konnte ihn aber überhaupt nicht zuordnen. Auch das Bild Lots, 2008 habe ich vorher noch nie gesehen und konnte auch erst einmal nichts damit anfangen.
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Die erste Recherche ging um das Thema des „Panele“-Schriftzugs im Hintergrund. Dank der Hilfe von Antje König, war schnell klar dass es ein Kino war. Hat das Bild aber für mich dadurch nicht interessanter gemacht und für mich auch so keinen Sinn ergeben. Also ging die Recherche bei Michael Ackermann selbst weiter. Über Michael Ackermann ist scheinbar sehr wenig bekannt, hat die Sache aber für mich dadurch wieder sehr interessant gemacht. Ich wollte ihn verstehen und ich wollte das Bild verstehen, welches für mich überhaupt nicht nach 2008 aussah, aber gut.
Michael Ackermann wurde 1967 in Tel-Aviv, Israel geboren, einen Namen hat er sich erst 1999 mit seinem Buch „End Time City“ gemacht (werde ich mir nach der Aktion glaube ich mal zulegen müssen). Er macht unglaublich intensive Bilder, welche er bewusst durch „fehlerhafte Kameraeinstellungen“ provoziert.
Ich will die Seite aus dem Buch hier nicht noch einmal wiedergeben, habe aber noch einiges mehr über ihn herausfinden können. In vielen seiner Bilder sieht er im Nachhinein Sachen, welche ihm beim fotografieren nicht aufgefallen sind. Er nennt es gespenstisch und übernatürlich. Seine Arbeiten sind überwiegend in schwarz-weiß und mit hoher ISO aufgenommen. Er liebte das ungestellte, nicht perfekte Leben auf der Straße und zog oft mit billigsten Plastikkameras los.
Mit diesem Wissen und dem Text zum Bild, begab ich mich weiter auf die Suche nach dem Sinn des Bildes. Das für mich uninteressante Kino befindet sich in der Nähe der Ulica Piotrkowska (Petrikauer Straße), welche heute eine der längsten Einkaufsstraßen Europas ist. Sie hat viel an kulinarischen Lokalen und wichtigen städtischen Gebäuden und Ämtern zu bieten. Interessant war für mich, dass diese Straße, welche ein paar Meter weiter hinten im Bild zu erahnen ist, seit 1990 revitalisiert und umgebaut wird. Ging es ihm darum die alten Bilder der Straße noch einmal festzuhalten, bevor auch dort umgebaut wird?
Diese Information hat mich in die Schiene Modernisierung gelenkt. Der Mann mit der schief sitzenden Fliege, scheint nur ein zufälliger Komparse zu sein, welcher durch sein äußeres Erscheinungsbild wohl der Auslöser war, aber vermutlich nicht das Hauptmotiv.
Mir fiel bei dem Gedanken sofort die Gegend um die moderne Bremer Überseestadt ein, als auch das direkt nebenan liegende alte Hafengelände, wo auch das berühmte Kaffee-HAG Gebäude zu finden ist. Beim dort recht bekannten Lloydcafe habe ich mich dann mit meiner Tochter ein wenig umgeschaut und mir fiel dann diese recht „sterile“ weiße Wand mit dem schönen Durchgang ein, durch dessen Öffnungen dann das alte Hafengebäude nebenan zu sehen ist. Ein für mich tolles Beispiel zum Thema Modernisierung.
Da es ja auch um den Bildstil von Michael Ackermann geht, habe ich mich auf das für mich ungewohnte 1:1 Format eingelassen und dort auf den richtigen Augenblick gewartet. Nach 3 Bildern war ich sehr zufrieden und glaubte am Ziel zu sein.
Beim Durchschauen der Bilder, fiel mir aber bei einem 4ten Bild, welches ich eigentlich nicht behalten wollte dann etwas auf, weshalb dann dieses Bild mein finales Bild wurde.
Ganz hinten ist mir der Reflex auf der Wand aufgefallen und sofort schossen mir die übernatürlichen, gespenstischen Reflexe in den Kopf, welche auch Michael Ackermann oft erst später wahr nimmt? War es auch bei mir etwas Übernatürliches? Der Spirit von Michael Ackermann?
Vielen Dank an Frank Fischer für das tolle Projekt und an die Community für’s mitmachen, den Austausch und die vielen Inspirationen!
Sven Hallmann - Bremen