#communityprojekt100 - 100 ikonische Streetfotos #82

16.04.2022 Ostersamstag

Endlich ist es da, das Buch. Den ganzen Vormittag habe ich auf den Live Tracker des Paketdienstes in meinem Smartphone gestarrt, um zu beobachten wie der Zusteller näher und näher kommt.
Jetzt halte ich das Buch in den Händen und bin gespannt was für ein Foto Frank für mich ausgesucht hat!

Beim Suchen nach „meinem“ Foto bleibe ich auf anderen Seiten mit den Notizen und Skizzen hängen. Nein, das kann ich später noch lesen, ich will jetzt „mein“ Foto finden. Okay, der Fotograf meines Bildes heißt Matt Weber und ich denke, dass das Foto zu mir passt wie Faust aufs Auge! Ein Schwarz- weiß-Foto, was ich bevorzuge, mit drei Marine Matrosen vor einem Porno Kino in New York City. Man könnte meinen Frank wüsste dass ich während des Wehrdienstes bei der Marine war! Damals kam ich bei meinem täglichen Weg zum Lehrbetrieb tatsächlich immer am Kieler Rotlichtviertel mit seinen einschlägigen Kinos, Bars und anderen Läden vorbei. Ich kann mich sehr gut in diese Matrosen hineinversetzen: Landgang in Kopenhagen 1986. Die Stadt erkunden, in den Einkaufsstraßen und Läden nach Souvenirs jagen und natürlich der Gang in die Bars und, na Ihr wisst schon!! Wir waren aber meistens ohne Uniform unterwegs.

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Puh, aber wo finde ich jetzt im Schwarzwald 3 Matrosen? Porno Kinos findet man hier ja auch, aber Matrosen!!! Die erste Freude über das Bild war verflogen und das Grübeln begann. Zum Glück waren da ja ein paar Osterfeiertage an denen man bei viel Essen, relaxen und mit der Familie ein bisschen nachdenken konnte.

Die ersten Ideen

Wie gehe ich es an? Ich suche mir eine Kneipe in der Nähe einer Kaserne und warte auf drei Soldaten. Nee, nicht gut. Das kostet Zeit, die ich durch berufliche Verpflichtungen gerade nicht habe und dann ist da ja noch das Thema Recht am eigenen Bild. Wer lässt sich schon gerne vor einem anrüchigem Etablissement ablichten und wird dann auch noch veröffentlicht. Also kein „echtes“ Street Foto sondern ein gestelltes.

Drei Köche in Arbeitsuniform, ich bin selber Koch und kenne daher genug, die ich vor einem Imbiss oder einer Hamburger Bude fotografiere. Aber das ist nicht anrüchig genug und kein Koch geht in Arbeitskleidung essen, weder zum Imbiss noch in ein Sterne Restaurant.

Tja, was dann. Leere, keine Ideen mehr in dem Moment. Erst das Telefonat mit meiner guten Fotofreundin Sibylle (ebenfalls Teilnehmerin an diesem Projekt ) brachte eine brauchbare Idee.
Wir engagieren unsere jugendlichen Kinder als Protagonisten und fotografieren diese vor einem Porno Kino oder im Rotlichtbezirk. Allerdings war mir die Location dann für jugendliche Models doch zu extrem. Na dann ein Casino oder eine Spielhalle. Das ist, da für Jugendliche verboten, anrüchig genug.

Dienstag nach Ostern

machte ich mich auf die Suche nach einer passenden Spielhalle für unser Photoshooting. Nach zwei Stunden Suche in den Orten und Städten der Umgebung stellte ich fest, das die beste Location nur zwei Kilometer von meinem Haus im Nachbarort liegt. Jetzt musste ich noch die Models klar machen. Trotz hoher Gage (Kinobesuch / klar, normales Kino, Popcorn, Cola und Pizza nach dem Shooting) wollte mein Großer nicht mitmachen. Zum Glück fand ich mit Helena, der besten Freundin meines jüngeren Sohns Jan, und Fabio, dem Sohn von Sibylle, meine drei benötigten Models.

Die einschlägige Teenyuniform Karohemd, Jeans und Beanie-Mütze war schnell gefunden und hat sogar ein bisschen was Maritimes.

Samstag, 23.04.22 Shooting Tag

Als Termin für das Shooting kam nur der Samstag in Frage. Am liebsten wäre mir der frühe Abend gewesen, ich glaube das Foto von Matt Weber ist am Abend/Nacht entstanden. Aber da Fabio im Prüfungsstress ist, mussten wir den Nachmittag nehmen. Zum Glück war es trocken an diesen Tag. An Hand des Original Fotos haben wir dann die drei Kids in ihre Rollen eingeteilt. Vor Ort ein paar Trockenübungen und dann ging es auch gleich los. Es gab zwei mögliche Hintergründe bei der Spielhalle. Da die Spielhalle direkt an einer zweispurigen Bundesstraße liegt war das Problem dass ich von der gegenüberliegenden Straßenseite fotografien musste. Das bedeutete, das ich in Ermangelung eines passenden Zoomobjektivs den Ausschnitt nicht ganz so eng wählen konnte wie in der Vorlage. Dank regen Samstag Nachmittag Verkehrs hat es dann einige Versuche gebraucht, bis ich ein für mich zufriedenstellendes Foto auf der SD-Karte hatte. Meine Befürchtung, dass die Kids meutern würden, wenn sie an der zweiten Stelle alles nochmal machen müssen, hätte ich mir sparen können. Es stand ja eine Pizza auf dem Spiel.

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Am Ende hatten wir alle viel Spaß, den Kids hat‘s geschmeckt und ich hatte zwei, drei mögliche Fotos im Kasten. Übrigens alle von der zweiten Location.

Zu Matt Weber

Als Taxifahrer in New York City hat Matt Weber immer wieder Situation gesehen und erlebt, die er gerne festgehalten hätte. So ist der Entschluss zum Kauf einer Kamera irgendwann leicht gefallen und er selber bezeichnet sie als die beste Entscheidung seines Lebens.
Schwarz-weiß war 25 Jahre Matt Webers bevorzugte Art zu fotografieren. Obwohl es auch viele Farbfotos aus den ersten Jahren gibt. Inzwischen hat er aber auch mehr und mehr die Farbfotografie für sich entdeckt, wie man auf seiner Webseite ( https://weber-street-photography.com/ ) und auch auf Instagram ( https://instagram.com/matt.weber.photos?igshid=YmMyMTA2M2Y= ) sehen kann.

Matt Weber ist Mitglied der UP Photographers, ( https://upphotographers.com/ )einer Gemeinschaft von 25 Street Fotografen aus aller Welt. Von vielen UP Fotografen, unter anderen auch dem Autor David Gibson, sind Bilder im Projekt Buch „100 Iconic Street Photos“ zu finden.
Mir persönlich gefallen viele von Matt Webers Fotos, nicht weil sie spektakulär sind, sondern viel mehr als das was sie für mich sind. Zeugen einer vergangenen Zeit. Zeugen des Lebens vor 30 bis 40 Jahren, das ich auch schon miterleben durfte. Erinnerungen.

Ein Problem

Ich hatte zu Beginn des Projekts und bis das Buch bei mir ankam, auf ein schwarz-weiß Foto gehofft und wurde ja auch nicht enttäuscht. Nachdem ich jetzt aber auch weiß, dass der Fotograf des Originals inzwischen die Farbfotografie für sich entdeckt hat, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich meinen Beitrag in schwarz-weiß oder doch Farbe einreichen soll. Naja ich glaube ich lasse die Fotos noch ein oder zwei Tage „reifen“ und entscheide mich spontan. Ihr werdet es ja sehen.

Kurz zu mir

Ich bin 57 Jahre jung und lebe im Nordschwarzwald. Aufgewachsen bin ich Schleswig-Holstein 10 Kilometer südlich von Kiel. Durch die Wanderjahre eines Kochs bin ich über die San Francisco, Bermuda und die Seefahrt in Baden Württemberg gelandet. Seit 20 Jahren lebe ich mit meiner Frau und meinen beiden zur Zeit pubertierenden Jungs in Bad Liebenzell.

Meine Leidenschaft zu Fotos und die Fotografie wurde durch einen Bildband über das 20. Jahrhundert geweckt.

Als die Zeit der Berufswahl kam hatte ich die Idee Fotograf zu werden, was aber von meinen Eltern mit dem Kommentar „Willst Du Dein Lebenslang am Hungertuch nagen“ und als „brotlose Kunst“ abgetan wurde. Also wurde ich Koch.
Irgendwann, als ich in San Francisco lebte, kaufte ich mir eine Canon EOS Rebell mit einem Kit Zoom Objektiv. Es gibt aber so gut wie keine Fotos aus der Zeit, da mir keiner sagte dass man sich mit der Fotografie beschäftigten muss. So knipste ich nur und legte die Kamera bald darauf enttäuscht in eine Kiste, wo sie vor sich hin verstaubte.

Mit Beginn der Digitalfotografie kaufte ich mir ein paar billige Kameras (die erste war eine HP mit 2 MP) was nicht wirklich bessere Fotos mit sich brachte, aber dem Geldbeutel tat der Schrott den ich produzierte nicht mehr so weh.
2004, zu meinem 40. Geburtstag, kaufte ich mir eine Superzoom Kamera von Panasonic und besuchte einen VHS Anfängerkursen zur Fotografie. Spätestens jetzt wurde mir klar warum meine Fotos bis dahin höchstens mittelmäßiges Schnappschuss Niveau erreicht hatten. Meine schlummernde Leidenschaft erwachte erneut und seitdem fotografiere ich mehr oder weniger alles was mir interessant erscheint. Am liebsten in schwarz-weiß und seit Beginn der Corona Krise immer mehr. Zur Zeit am liebsten Porträts mit einem entfesselten Blitz.

Und zum Schluss noch Vielen Dank an Frank Fischer für dieses großartige Projekt an dem ich teilhaben darf.

Marc Stibbe 28.04.2022 Bad Liebenzell